Der Hochzeitsschuh - von Gertrud Duhm und Brigitte Junge



Wer die Braut war und in welcher Kirche sie getraut wurde, ist leider nicht überliefert. Ihre edlen Hochzeitsschuhe erinnern uns an das „Aschenbrödel“ im Märchen. Einst gehörten sie an die schmalen Füße einer zierlichen Frau. Um den Fuß optisch noch kleiner wirken zu lassen, war der geschwungene Absatz an der Sohle so weit wie möglich nach vorn gesetzt. Absätze sollten nicht nur den Fuß schmal, das Bein lang und damit eine Frau schön erscheinen lassen, sondern sie zeigten auch den finanziellen Status der Trägerin. Die etwa 140 Jahre alten Schuhe können im Historischen Museum Aurich in der Dauerausstellung „Burg und Schloss – Der Bürger orientiert sich am Adel“ bewundert werden. Für Ostfriesland sind es jene Jahre, als Aurich ab 1866 wiederholt von Preußen regiert wurde.

Die Schuhe bestehen von außen aus cremefarbenem Baumwollsamt und sind mit kleinen und größeren Blüten aus beigen Glasperlen bestickt. Auch hinten an der Ferse befindet sich eine mit Perlen besetzte Blüte. Um die Blüten herum sind kleine und große Blattmotive im Brokatmuster aufgestickt. Dafür wurde zunächst ein goldfarbener Metallfaden um einen Baumwollfaden gewickelt, dieser dann in Form eines Blattes auf den Samt gelegt und in kleinen Parallelstichen mit einem dünnen Nähfaden befestigt. Innen ist der Schuh mit einem festen Baumwollgewebe im Fischgrätenmuster ausgekleidet und handvernäht. Die Ferse ist innen mit einer Kappe verstärkt. Die Ledersohle lässt keinen rechten und linken Schuh erkennen, da sie für beide Füße im Zuschnitt gleich ist. Sie mussten von ihrer Besitzerin auf rechts und links eingetragen werden. Im Schuh ist ein Baumwollband befestigt, das um den Knöchel gelegt dafür sorgte, dass der Schuh nicht vom Fuß rutschte. Der Absatz ist mit Seidentaft bezogen. Seine Form ist stark geschweift, an seinem oberen und unteren Ende breiter als in der Mitte. Man könnte sagen, er ist „leicht tailliert“. Ein solcher Absatz ist sehr standsicher und wird in der Fachwelt „Pinet-Absatz“ genannt.

Francois Pinet (1817 bis 1897) machte die hohen Louis-XV-Absätze, die der König als modischer Vorreiter schon im späten 18. Jahrhundert an seinen Schnallenschuhen trug, wieder bekannt. Pinet kreierte maßgeschneiderte Schuhe seit 1855 in seinem Pariser Laden. 1863 beschäftigte er in seiner Werkstatt 120 Angestellte und über 700 Arbeiter. Heute wird er als erster großer Schuhdesigner angesehen.

Ein Blick in die Geschichte des Schuhs zeigt, dass modische Veränderungen nicht nur eine Frage des Geschmacks waren und sind sondern immer auch mit gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen. Hatte es bis 1590 kaum Unterschiede zwischen Männer- und Frauenschuhen gegeben, so änderte sich dies, als ein Absatz in Höhe von drei Zentimetern an den Schuhsohlen befestigt wurde. Bis 1660 blieben die Absätze für beide Geschlechter in etwa auf derselben Höhe. Jedoch waren die Kleider der Damen so lang, dass die Schuhe kaum in Erscheinung traten. Ab 1760 gab es kurzzeitig ein großes Interesse an hohen Schuhen mit dünnen Absätzen, wie dem französischen Pompadour-Absatz. Um 1790 verschwanden die Absätze ganz, denn nach der Französischen Revolution sollte jeder demokratisch gleich behandelt werden. In den späten 1850ern tauchten kleine Absätze wieder auf und der Schuh durfte erneut als modischer Blickpunkt gezeigt werden. Mit ihm einher ging die entsprechende Kleidermode. Frauen trugen aufwändig verarbeitete Kleider, die teilweise aus kostbaren Stoffen genäht und reich mit Spitzen oder anderem Zierrat geschmückt wurden. Der Rock war zumindest vorne kürzer geschnitten. Vorne weniger gebauscht, fiel er dichter am Körper herab und gab den Blick auf den vorderen Fuß und den Schuh frei. Deshalb wurden die Spitzen der Schuhe, wie unser Objekt des Monats zeigt, aufwändig verziert. Am hinteren Rock war die Stoffbahn breiter geschnitten, in der Taille üppig in Falten gelegt, über dem Gesäß aufgebauscht und mit einem Polster gestützt. Auch hier forderte der Schuh die Aufmerksamkeit des Betrachters, wurde doch der Rock beim Gehen leicht hochgerafft. So konnte der schwungvolle Absatz bemerkt und darüber die Perlenblüte auf der Ferse entdeckt werden.

War Mitte des 17. Jahrhunderts Frankreich zum Trendsetter der Kleider- und Schuhmode für ganz Europa geworden, so hatte rund 150 Jahre später – bedingt durch die Napoleonischen Kriege – England in der Schuhherstellung und Modefragen die Nase vorn. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg Frankreich, wo Schuhe mittlerweile in einer rationalisierten Heimarbeit hergestellt wurden, wieder zum größten Exporteur von Damenschuhen auf.

Das fürstlich Ostfriesische Wappen und ein Prunkbecher aus Glas - von Jessica Wiessler und Brigitte Junge



Seinen Besuchern in der Dauerausstellung und in wechselnden Sonderausstellungen die Geschichte Aurichs und Ostfrieslands näher zu bringen, das ist die Aufgabe des Historischen Museums Aurich. Vor mehr als 250 Jahren ging eine bedeutende Epoche zu Ende. Mit Carl Edzard verstarb 1744 der letzte Fürst von Ostfriesland und die Erbfolge der Cirksena brach ab. Doch da die Residenz eines von zwei Schwerpunktthemen des Historischen Museums ist, bleibt die Zeit der Fürsten in Aurich weiterhin gegenwärtig. So lassen sich Zeugen ihrer Regentschaft bewundern –  Schätze von Silber und Seide, das Modell vom Residenzschloss und das fürstlich Ostfriesische Wappen. Letzteres zieht immer wieder die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Häufig fragen sie dann nach Herkunft und Bedeutung des Wappens.

Eingeführt von Graf Rudolf Christian (geb. 1602, gest. 1628) 1625, im Jahr seiner Regierungsübernahme, um die Einheit von ganz Ostfriesland unter den Cirksena zu symbolisieren, behielt das Wappen bis 1744 seine offizielle Gültigkeit. Durch die Aufteilung in sechs Felder wurden die Wappen der bedeutendsten ostfriesischen Häuptlingsgeschlechter vereint, mit denen die Cirksena verwandt waren oder deren Herrschaft sie übernahmen. Grafen und Fürsten prägten es auf Münzen, siegelten Schriftstücke damit oder ließen es an ihre Bauten und Kirchenstühle setzen. Auch auf dem Objekt des Monats Juni lässt sich das fürstlich Ostfriesische Wappen betrachten.

Oben links das eigene, das Stammwappen der Familie Cirksena, der Jungfrauenadler (Harpyie). Die vier Sterne wurden nach Inbesitznahme des Norderlandes hinzugefügt. Der Jungfrauenadler der Cirksena ist auch in verschiedenen anderen Wappen wiederzufinden, z. B. im Wappen der Stadt Emden, im Wappen von Delfzijl oder im Wappen Liechtensteins.

Oben rechts ist das Wappen der Familie tom Brok zu sehen, der gekrönte Adler. Die tom Broks herrschten einst über das Auricher und das Brokmerland. 1426 wurde der amtierende Häuptling Okko II. tom Brok in der Schlacht auf den Wilden Äckern von Focko Ukena besiegt, und  1435 starb mit Okko II. der Letzte aus dem Geschlecht der tom Broks.

In der Mitte links ist das Wappen der Beninga, Häuptlingsfamilie von Manslagt (Krummhörn). Das Feld ist in der Waagerechten durch einen Balken mit fünf Rauten getrennt. Oberhalb des Balkens sind zwei Sichelmonde, unterhalb einer zu sehen. Durch die Heirat der Erbtochter Gela von Manslagt mit Enno II. von Greetsiel fiel das Gebiet der Beninga an die Familie Cirksena.

In der Mitte rechts zeigt das Wappen einen Löwen mit gestürzter Krone um den Hals. Es gehört zu Focko Ukena, Häuptling des Moormer- und Lengenerlandes. Nach dem Sieg über Okko II. tom Brok herrschte Focko Ukena nicht mehr nur über das südliche, sondern über fast ganz Ostfriesland. Der unter Edzard Cirksena gegründete „Freiheitsbund der Sieben Ostfrieslande“ wehrte sich schließlich gegen die Unterdrückung und Belastung durch die Herrschaft Ukenas. Nach dem Fall seiner Burg in Leer 1431, floh Ukena über Papenburg nach Münster und lebte dann auf dem Schloss seiner zweiten Frau im niederländischen Dijkhuizen. Ukenas Enkelin Theda (geb.1434, gest. 1494) war die Frau von Ulrich I. Cirksena und nach seinem Tod 1466 die erste Regentin von Ostfriesland. Das Wappen der Ukena findet man heute noch im Wappen des Landkreises Leer.

Unten links zeigt das Wappen den Bären der Familie Attena aus Esens, der bis heute das Wappentier der Stadt Esens geblieben ist. Rechts daneben das Wappen von Häuptling Hero Omken von Wittmund, der ebenfalls dem Geschlecht der Attena angehörte. Das Wappen zeigt zwei sich kreuzende Peitschen. Zusammen mit dem Wappen der Familie Attena aus Esens steht es für das Harlingerland.

Im Historischen Museum lässt sich das fürstlich Ostfriesische Wappen nicht nur einmal finden. Es begegnet den Besuchern auf verschiedene Weisen: Mal groß und auffällig, in Eiche geschnitzt und in seiner vollen Farbpracht; mal einfarbig und klein – aber nicht minder prachtvoll – in seiner gläsernen Form, wie es das Objekt des Monats zeigt.

Das Material Glas gibt es schon seit frühster Zeit, die älteste textliche Erwähnung stammt etwa aus dem Jahr 1600 vor Christus. Besonders Glasperlen entwickelten sich zu einer beliebten Handelsware. Auch im Historischen Museum werden aus Glas gefertigte Perlen gezeigt. Sie wurden in verschiedenen Formen und Farben einzeln verstreut am Upstalsboom gefunden und lassen sich auf das frühe Mittelalter datieren.

Hohlglas gibt es seit dem ersten Jahrhundert nach Christus, wobei festzustellen ist, dass seine Herstellung bis zum Mittelalter zunächst rückläufig war. Zu dieser Zeit lag die Glasproduktion in den Händen der Klöster. Erst im 14. und 15. Jahrhundert beginnt die Geschichte des europäischen Glases gewissermaßen von neuem. Noch bis ins 20. Jahrhundert wurden Hohlgläser hauptsächlich im Mundblasverfahren hergestellt.

Pressglas, wie es heute gebräuchlich ist, gibt es seit dem späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert. Vorteile des Verfahrens, bei dem das Glas in eine Form gedrückt wird, waren vor allem die schnelle und einfache Herstellung von Gläsern in beliebigen Formen sowie die Möglichkeit, eine hohe Anzahl an gleichartigen Gläsern zu produzieren. Außerdem konnten billige und weitestgehend ungelernte Kräfte für die Arbeit eingestellt werde. So wurde das Gebrauchsgläser auch für ärmere Menschen erschwinglich.  Anders verhielt es sich mit dem mundgeblasenen Glas. Abnehmer waren vor allem Adel und Klöster, später auch das wohlhabende Bürgertum. Ab dem 14. Jahrhundert ist der Verkauf von Trinkgläsern in größeren Städten nachweisbar.

Gläserne Becher, Kelchgläser und Pokale wurden für alle Arten von Getränken gebraucht. Der Kelch in seiner heutigen Form bildete sich im 16. Jahrhundert aus. Er hat eine gewölbte Fußplatte, einen glatten oder gewölbten Stiel mit teils kugelförmigen Verdickungen und einen beliebig geformten oberen Teil, den „Kelch“ oder auch die „Kuppa“. Im 17. Jahrhundert stieg die Vorliebe für große Gefäße an. Somit trat der einfache Becher zurück und der Kelch sowie seine größere Variante der Pokal stiegen in der Gunst der Verwender. Reiche Verzierungen weisen darauf hin, dass es sich nicht um ein Gebrauchsglas handelt.

Auf dem Kelch des hier vorgestellten Pokals, ist das fürstlich Ostfriesische Wappen eingeschliffen; der Deckel trägt ein Blumen- und Rankenmuster. Insgesamt besteht der Pokal aus reingeschliffenem Kristallglas, ist also ohne Färbung. Er hat eine leicht gewölbte Fußplatte; der Stiel hat zwei kugelförmige Verdickungen, der Knauf oder auch „Nodus“ genannt. Sowohl am Stiel als auch am Griff des Pokaldeckels sind Luftblasen in den Nodus eingeschlossen.

Hergestellt wurde der Kelch zu Zeiten des Fürsten Georg Albrecht Georg Albrecht (geb. 1690, gest. 1734) in einer sächsischen Glashütte. Wie der Pokal nach Ostfriesland kam, ist nicht überliefert. Jedoch soll ein Händler namens Johann Kaspar Kittel seit 1724 in Tannenberg Glashandel betrieben haben.

Verwender dieses Pokals war das ostfriesische Fürstenhaus. Das Historische Museum schätzt sich glücklich den fürstlichen Glasdeckelpokal seit Anfang des Jahres sein Eigen nennen zu können. Es ist ein bislang einzigartiges Objekt in der Museumssammlung.  Auch Besuchern wird dieser Schatz natürlich nicht vorenthalten. Der Pokal ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr in der Abteilung „Burg und Schloss“ zu bewundern.